OLG Brandenburg: Ladung zur Mitgliederversammlung

In einem von Rechtsanwalt Sven Kohlmeier/Kanzlei Kohlmeier vertretenem Fall hat das Oberlandesgericht Brandenburg eine für Vereine wichtige Entscheidung getroffen: „Die Nichtladung von jedenfalls drei Mitgliedern führt zur Unwirksamkeit der Beschlussfassungen auf der Mitgliederverversammlung.

Dem Verein gehören 276 Mitglieder an, von denen ein Teil per Email, ein Teil per Briefpost geladen wurde. Die Satzung des Vereins sah eine „schriftliche Einladung“ vor, ob die Ladung per Email überhaupt satzungsgemäß war, konnte vom Oberlandesgericht „dahingestellt bleiben“, da jedenfalls die Nichtladung von 3 Mitgliedern zur Nichtigkeit der Beschlussfassungen auf der Mitgliederversammlung führte. Das Amtsgericht als Registergericht sah auch in der Ladung per Email entgegen der Satzungsbestimmung der „schriftlichen Ladung“ einen Nichtigkeitsgrund. Das Oberlandesgericht begründet seine Entscheidung damit, dass das Teilnahmerecht unentziehbar ist und durch den Verein zu gewährleisten ist. Infolge der Nichtladung sind Mitglieder an der Willensbildung durch Wortbeiträge in der Aussprache gehindert worden. Die Relevanzschwelle ist damit überschritten, so dass es auf Kausalitätserwägungen nicht ankommt (BGH, 13.02.2006; OLG Brandenburg, 3.7.2012, 11 U 174/07). Für Vereine bedeutet eine erheblich sorgfältige Vorbereitung und Ladung zur Mitgliederversammlung.

Rechtsanwalt für Vereinsrecht Sven Kohlmeier hat die Entscheidung des OLG Brandenburg in der Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen (ZStV, Ausgabe 05/2019, Seite 192 ff, kostenpflichtig beck-online) kommentiert. Rechtanwalt Sven Kohlmeier hat das Verfahren für ein nichtgeladenes Mitglied geführt und gewonnen. Den frei verfügbaren Urteilstext (www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de) finden Sie auch nachfolgend abgedruckt.

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Brandenburgisches Oberlandesgericht 7. Zivilsenat (03.01.2019, 7 W 72/18)

(Wirksamkeit der Neuwahl eines Vereinsvorstands bei einem relevanten Einberufungsmangel)

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 14.06.2018 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

1

Die gemäß §§ 382 Abs. 3, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg; sie ist unbegründet.2

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht zu Recht die Anmeldung des Antragstellers betreffend die Eintragung der Vorstandsänderung aufgrund der Vorstandwahl in der Mitgliederversammlung vom …2017 zurückgewiesen.3

Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die in der Mitgliederversammlung vom … 2017 erfolgte Neuwahl des Vorstandes deshalb unwirksam, weil die Mitgliederversammlung infolge Nichtladung von jedenfalls drei Vereinsmitgliedern nicht ordnungsgemäß einberufen war und nicht festzustellen ist, dass der Einberufungsmangel für die Wahlentscheidung ohne Relevanz geblieben ist. Die dagegen gerichteten Beschwerdeangriffe vermögen nicht zu überzeugen. Vielmehr hat das Amtsgericht den Sachverhalt insoweit sowohl in tatsächlicher Hinsicht zutreffend festgestellt, als auch in rechtlicher Hinsicht fehlerfrei gewürdigt.4

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt im Vereinsrecht bei der Behandlung fehlerhafter Beschlüsse oder Abstimmungen der Mitgliederversammlung eine entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften der §§ 241 ff. AktG wegen der Vielgestaltigkeit vereinsrechtlicher Zusammenschlüsse und der darum anders gelagerten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sowie mit Rücksicht auf die geringeren Förmlichkeiten des Vereinsrechts nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil v. 02.07.2007 – II ZR 111/05, NJW 2008, 69 m.w.N.). Für das Vereinsrecht gilt der Grundsatz, dass der Verstoß gegen zwingende Vorschriften des Gesetzes oder der Satzung zur Nichtigkeit führt. Die wirksame Wahl des Vorstandes eines Vereins durch die Mitgliederversammlung setzt gem. § 32 BGB die ordnungsgemäße Einberufung der Mitgliederversammlung voraus. Die Nichtladung eines Teils der Mitglieder ist ein Einberufungsmangel, der einen Nichtigkeitsgrund begründet (vgl. BGH, Urteil v. 13.02.2006, II ZR 200/04, NJW-RR 2006, 831; BayObLG, Beschluss v. 10.07.1996 – 3Z BR 78/96, NJW-RR 1997, 289; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. § 32 Rn. 9; Notz in beck-online Großkommentar BGB, Stand 15.09.2018 § 32 Rn. 45, 222).5

Zutreffend hat das Amtsgericht erkannt, dass ein Verfahrensfehler dann zur Nichtigkeit führt, wenn der Fehler als relevant für die Ausübung der Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrechte durch ein objektiv urteilendes Verbandsmitglied anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil v. 02.07. 2007 a.a.O.). Maßgebend ist danach, ob ein Legitimationsdefizit besteht, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Feststellung der Unwirksamkeit rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil v. 02.07.2007 a.a.O.; OLG Brandenburg, Urteil v. 03.07.2012 – 11 U 174/07; OLG Frankfurt, Urteil v. 06.07.2018 – 3 U 22/17, zit. jeweils nach juris; Palandt/Ellenberger a.a.O. § 32 Rn. 10; Notz a.a.O. § 32 Rn. 216, 222).6

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat das Amtsgericht zu Recht die Relevanz des Ladungsmangels bejaht. Die Ladung des Mitgliedes zur Mitgliederversammlung des Vereins dient ebenso wie die Ladung des Gesellschafters zur Gesellschafterversammlung der Sicherung eines unverzichtbaren Mitgliedsrechts, seines Teilnahmerechts an der Versammlung und der damit verbundenen Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung der Versammlung. Das Teilnahmerecht geht über das Recht, an der Abstimmung mitzuwirken, hinaus und ist auch dann unerziehbar und deshalb zu gewährleisten, wenn – wie hier vom Antragsteller vorgetragen – ein Teil der nicht geladenen Mitglieder in der Versammlung nicht stimmberechtigt gewesen sei. Infolge Nichtladung sind auch diese Mitglieder gehindert worden, die Willensbildung durch Beiträge in der Aussprache zu beeinflussen. Die Relevanzschwelle ist mithin überschritten, auf Kausalitätserwägungen kommt es nicht an (vgl. BGH, Urteil v. 13.02.2006; OLG Brandenburg, Urteil v. 03.07.2012 a.a.O.).7

Betrifft ein Verstoß lediglich Verfahrensvorschriften, die nicht übergeordneten Interessen, sondern nur dem Schutz einzelner Mitglieder dienen, mag eine Nichtigkeit nur dann eintreten, wenn das in seinen Rechten verletzte Mitglied dem Beschluss in angemessener Frist widerspricht. Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben, denn die Willensbildung zur Wahl des Vorstandes dient auch den übergeordneten Interessen des Vereins und nicht nur dem Schutz einzelner Mitglieder (vgl. OLG München, Beschluss v. 29.01.2008, – 31 Wx 78/07, NJW-RR 2008, 993; Palandt-Ellenberger a.a.O. § 32 Rn. 10).8

Angesichts des zur Nichtigkeit der Vorstandswahl führenden Einberufungsmangels wegen Nichtladung eines Teils der Mitglieder kann dahingestellt bleiben, ob die im übrigen per E-Mail erfolgte Einladung unter den Gegebenheiten des Streitfalls im Hinblick auf die in § 9 Abs. 2 der Satzung vorgesehene schriftliche Einberufung – wie vom Amtsgericht angenommen – ebenfalls die Nichtigkeit begründet oder nicht (vgl. dazu OLG Hamm, Beschluss v. 24.09.2015 – 27 W 104/15, ZIP 2015, 2273 m.w.N.).9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.10

Die Wertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 36 GNotKG.

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