BGH: Kitaverein mit 9 Kindertagesstätten ist Idealverein

Der Bundesgerichtshof hat am 16. Mai 2017 (II ZB 7/16) entschieden, dass der mehrere Kitas betreibende Kita-e.V. als ideeller (§ 21 BGB) und nicht als wirtschaftlicher Verein (§ 22 BGB) einzuordnen ist. Der Bundesgerichtshof hob damit eine Entscheidung des Kammergerichts Berlins auf, welche noch die Löschung aus dem Vereinsregister urteilte. Das Kammergericht stellte bei seiner Entscheidung u.a. auf die Größe der Betätigung (9 Kitas mit 16 – 32 Kindern, nur wenigen Vereinsmitgliedern, dem Außenauftritt des Vereins im Internet ab.

Für den Bundesgerichtshof sind diese Kriterien für die Einordung als ideeller Verein iSd § 21 BGB nicht relevant. Der BGH stellt vielmehr darauf ab, ob eine Anerkennung des Vereins im Sinne des § 51 ff der Abgabenordnung als gemeinnützig vorliegt. Dies habe Indizwirkung, dass der Verein nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Für Vereine, die auf dem Markt z.B. im Bereich von sozialen Angeboten, Kitas, Schulen, im Sportbereich oder sog. „Großvereine“ dürfte die Entscheidung viel Beruhigung bringen. Denn solange die Gemeinnützigkeit vom Finanzamt bestätigt wird, liegt ein starkes Indiz für einen Ideal-Verein trotz erheblicher wirtschaftlicher Betätigung (als sog. Nebenzweck). Die Anerkennung als gemeinnütziger Verein hat erhebliche steuerliche und finanzielle Vorteile. Die Rechtsform des Vereins kann ebenfalls vorteilhaft sein, weil z.B. keine Bilanzierungs- oder Veröffentlichungspflichten wie bei einer GmbH bestehen.

Das Kammergericht Berlin (16.02.2016, 22 W 71/15), welches die Einordnung als Idealverein iSd § 21 BGB verweigerte, argumentierte wie folgt:

  1. Selbst wenn der Vereinszweck der Satzung als ideel einzuordnen sei, kommt es auf die tatsächliche Tätigkeit des Vereins und den Auftritt an. Der Kita-Verein sei kein kleiner Anbieter auf dem Markt, er unterhält eine zentrale Kücheneinrichtung, es gibt keine besondere Beziehung der Kindeseltern zu dem Verein und die Eltern der sind idR keine Vereinsmitglieder.
  2. Die wirtschaftliche Betätigung des Kita-Vereins falle nicht unter das Nebenzweckprivileg. Aus der Präsentation im Internet wird deutlich, dass der Betrieb der Kindergärten im Vordergrund steht und nicht mehr untergeordneter Nebenzweck ist.
  3. Auf die Beurteilung als gemeinnützig komme es nicht an, da es sich um eine allein steuerlich zu beurteilende Frage handelt. Der wirtschaftliche Betrieb eines Kindergartens steht der Anerkennung als gemeinnützig auch nicht entgegen. Die Anerkennung als gemeinnützig erfordert auch nicht die Anerkennung als Verein.
  4. Der Kita-Verein tritt auf dem Markt in Konkurrenz zu anderen Anbietern auf. Wettbewerbsnachteile für andere Anbieter sollen jedoch verhindert werden, da andere Anbieter in der Rechtsform der GmbH oder gGmbH auftreten.

Der Bundesgerichtshof nimmt die Entscheidung des Kammergerichts förmlich „auseinander“ und vertritt in jedem Punkt eine dem Kammergericht gegenteilige Auffassung. Einzig sei das Kammergericht „zutreffend davon ausgegangen“, dass das Registergericht eine Eintragung bei einem Mangel löschen kann. Im Folgenden führt der BGH aus:

  1. Der Kita-Betrieb in dem Umfang von 9 Kitas à 16 – 32 Kindern stellt keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar. Ein Verein kann zur Erreichung seiner ideelen Ziele auch unternehmerische Tätigkeiten entfalten, sofern diese Hilfsmittel zur Erreichung des Hauptzweckes sind (sog. Nebenzweckprivileg). Eine wirtschaftliche Tätigkeit eines Verein kann als Gewerbe iSd Gewerberechts anzusehen sein, auch wenn die Rechtsform die des Ideal-Vereins ist. Entscheidend für die Einordnung als ideeler Verein ist die Satzung und wie der Verein tatsächlich tätig wird. Die tatsächliche Tätigkeit unterfällt vorliegend jedoch noch dem Nebenzweckprivileg (Rdnr. 21 der Entscheidung).
  2. Der Anerkennung als gemeinnützig kommt entscheidende Bedeutung und Indizwirkung zu. Aus der Gesetzgebungshistorie sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den gemeinnützigen Verein als Regelfall eines Idealvereins angesehen hat. Zu berücksichtigen sei weiter, dass der Gesetzgeber als Gegenstück zum Idealverein die AG, GmbH ua. vorgesehen habe, die auf den wirtschaftlichen Vorteil des Einzelnen abzielt. Das Interesse eines gemeinnützigen Vereins ist nicht auf einen im Verein verbleibenden Geschäftsgewinn gerichtet, da die Mittel zeitnah für den gemeinnützigen Zweck ausgegeben werden müssen. Des weiteren besteht mit den Regelungen des Gemeinnützigkeitsrechts ein besonderes gesellschaftliches Interesse auf den dort genannten Gebieten. Bei dem hiesigen Kita-Verein steht der ideelle Zweck der Satzung im Vordergrund, er sei selbstlos tätig und die Vereinsmittel werden ausschließlich für gemeinnützige Zwecke eingesetzt.
  3. Die Größe und der Umfang der wirtschaftlichen Betätigung sind nicht ausschlaggebend, ob diese dem Nebenzweckprivileg unterfällt. Wen nach dem Willen des Gesetzgebers der Verein Mittel für die Erreichung seines Zweckes erwirtschaften darf, dann darf ihm das nicht verwehrt werden, so der BGH. Vereine mit wirtschaftlicher Zielsetzung werden aus Gründen des Gläubigerschutzes auf andere Rechtsformen z.B. AG, GmbH verwiesen. Bei einem Verein, der einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb in einer gewissen Größe unterhält, um seinen Zweck zu erreichen, entstehen keine größeren Gefahren für den Rechtsverkehr. Eine Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten auf einen Idealverein sei nicht zu erwarten, wenn dieser als gemeinnützig anerkannt sei. Denn dem stehen die Regelungen der Abgabenordnung zur Gemeinnützigkeit z.B. der Gewinnausschüttung an Mitglieder und die Regelungen des § 55 AO entgegen. Die Überwachung und Prüfung dieser Vorschriften sei der Finanzverwaltung in viel effektiverer Weise möglich als dem Registergericht mit dessen Sach- und Personalausstattung.
  4. Das Kammergericht hat nur pauschal auf den Gläubigerschutz abgestellt, dies aber nicht weiter begründet. Ein eventuell im Einzelfall anzunehmendes Bedürfnis eines Gläubigerschutzes sei vorliegend jedoch nicht ersichtlich.
  5. Gegen die Einordnung als Idealverein sprechen auch keine wettbewerbsrechtlichen Gründe. Eine Konkurrenz würde auch eintretenden, wenn der Kita-Verein nicht als e.V. sondern in anderer Rechtsform auf dem Markt auftritt. Auch handelt es sich bei den §§ 21, 22 BGB nicht um unmittelbar wettbewerbsregelnde Normen. Die Vorschriften sind wertneutral, auch soweit sie neben der Sicherheit des Rechtsverkehrs Schutzzwecke zugunsten der Vereinsmitglieder entfalten.

Der BGH begründet bedauerlicherweise in seiner Entscheidung nicht, ob die vorliegend konkrete Tätigkeit – die auch planmäßig und dauerhaft gegen Entgelt ausgeübt wird (Rdnr. 20 der Entscheidung) -, noch, erst Recht oder sowieso dem Nebenzweckprivileg erfüllt. Insofern bleibt zunächst schwer einzuordnen, ab welcher wirtschaftlichen Betätigung der BGH nicht mehr von dem Nebenzweckprivileg ausgehen würde. Angesichts der Begründung des BGH wollte dieser aber offenbar keinen Zweifel lassen: Fast egal wie wirtschaftlich sich ein e.V. betätigt, für die Beurteilung als Idealverein „ist die Anerkennung des Beteiligten als gemeinnützig im Sinne von § 51 AO von entscheidender Bedeutung.“

Die Pressemitteilung des BGH zu der Entscheidung finden Sie hier (PDF).

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